Aktuelles
Staub ist überall – auf den Schutz kommt es an
In der Diskussion um eine europaweite Einstufung von Titandioxid setzt sich nun auch in der Politik langsam die Erkenntnis durch, [...]
Unterschiedliche Staubgrenzwerte in Europa
Bei der Diskussion um eine Einstufung von Titandioxid spielt der Arbeitsschutz eine immer stärkere Rolle [...]
Worum geht es?
DAS WEISSPIGMENT TITANDIOXID
Die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) hat bei der Europäischen Chemikalienagentur eine Einstufung von Titandioxid als wahrscheinlich krebserzeugend (Kategorie 1B) beim Einatmen vorgeschlagen. Der zuständige Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) bei der ECHA hat am 8. Juni 2017 empfohlen, das Weißpigment in der weniger einschneidenden Kategorie 2 aber immer noch als „Stoff mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung beim Menschen“ durch Einatmen einzustufen. Die Kommission prüft jetzt die Empfehlung des Ausschusses. Die endgültige Entscheidung trifft der REACH-Regelungsausschuss.
Welche Konsequenzen hat eine Einstufung?
Titandioxid ist sozusagen ein Allrounder und wird als Rohstoff in fast allen Industriebereichen genutzt. Sollte Titandioxid tatsächlich als Krebsverdachtsstoff (Kategorie 2) eingestuft werden, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf viele Industriebereiche. Neben Farben, Lacken und Druckfarben kommt er unter anderem in Kunststoffen, Textilien, Lebens- und Futtermitteln, bei der Papierherstellung sowie in pharmazeutischen und kosmetischen Produkten zum Einsatz.
Begründet wird der Vorschlag mit der Befürchtung, dass Arbeiter an Lungenkrebs erkranken könnten, wenn sie bei der industriellen Herstellung und Verarbeitung Staubemissionen u.a. von Titandioxid ausgesetzt sind. In Verbraucherprodukten, wie zum Beispiel Farben, Lacken, Kunststoffteilen und Papier, ist Titandioxid jedoch in eine Matrix eingebettet und liegt somit nicht als Staub vor. Das Problem liegt darin, dass die geltenden Gesetze kein Unterschied machen, ob der Stoff als einatembares Pulver vorliegt oder nicht. Von der Einstufung wären in der Praxis alle Gemische betroffen, die Titandioxid enthalten.
Bei einer Einstufung in Kategorie 1B dürften beispielsweise Farben und Lacke mit Titandioxid nicht mehr an private Endverbraucher in Baumärkten oder im Fachhandel verkauft werden, obwohl hier kein Risiko besteht, Titandioxid einzuatmen. Circa 85 Prozent aller vorhandenen Heimwerker-Farben wären damit von einem Verkaufsverbot betroffen. Zudem dürfte Titandioxid nicht mehr zur Einfärbung, Lackierung bzw. Bedruckung von Gegenständen verwendet werden, die für den Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen sind, z.B.Lebensmittelverpackungen und Kunststoff-Schüsseln.
Auch für die Entsorgung hätte eine Einstufung in Kategorie 1B erhebliche Konsequenzen: Abfälle wie Farbreste und Bauschutt mit einer Konzentration ab 0,1 % Titandioxid-Anteil würden als „gefährlicher Abfall“ eingestuft und müssten als Sondermüll behandelt werden. Ebenso wären Kunststoffabfälle und deren Recyclingprozesse betroffen.
Im Falle einer Einstufung als vermutlich krebserzeugend (Kategorie 2) wäre zwar der Verkauf von titandioxidhaltigen Produkten an den Endverbraucher, z.B. Farben und Lacke, weiterhin möglich. Allerdings müsste diese Produkte auch bei einer Einstufung in Kategorie 2 die gleiche Gefahrenkennzeichnung tragen. Die verschärften Entsorgungsauflagen als „gefährlicher Abfall“ würden auch bei dieser Einstufung verbindlich.
Mit der Einstufung von Titandioxid würde ein Präzedenzfall geschaffen, der sehr wahrscheinlich auf andere nicht-lösliche (inerte) Stäube übertragen wird.
Es könnte ein Domino-Effekt entstehen, der mit Titandioxid seinen Anfang nimmt, und sich auf andere Stoffe wie z.B. Pigmente und Füllstoffe ausweitet. Dadurch würden sich erhebliche Nachteile für Produzenten innerhalb der EU ergeben.
Was ist Titandioxid?
TITANDIOXID IST…
EIN ANORGANISCHER, KRISTALLINER, WEISSER FESTSTOFF
Titandioxid ist chemisch und biologisch inert, also reaktionsträge in Verbindung mit anderen Stoffen, wie zum Beispiel Wasser oder Luft. Es wird aus dem in der Natur sehr häufig vorkommenden Erz Ilmenit gewonnen. Titandioxid wird seit circa 100 Jahren industriell hergestellt und genutzt. Die chemische Formel für Titandioxid lautet TiO2.
THERMISCH STABIL
Titandioxid hält selbst relativ hohen Temperaturen stand. Es ist nicht brennbar und nahezu unlöslich sowohl in Wasser, in verdünnten Säuren als auch in organischen Lösungsmitteln.
HÖCHSTE DECKKRAFT UND WEIßWIRKUNG
Titandioxid hat einen hohen Brechungsindex und ein sehr großes Lichtstreuvermögen. Es besitzt daher aus koloristischer Sicht das höchste Deckvermögen aller Weißpigmente.
DAS AM HÄUFIGSTEN EINGESETZTE PIGMENT WELTWEIT
Titandioxid wird sowohl für Farben und Lacke, Druckfarben, Kunststoffe, Fasern und Papier eingesetzt. Außerdem wird es zur Farbgebung in Kosmetika, Lebensmitteln, Pharmazeutika sowie Emaille und Keramik genutzt. Spezielle Formen von Titandioxid werden als UV-Filter, zum Beispiel in Sonnencrème oder als Photokatalysatoren eingesetzt.
Titandioxid ist alternativlos!
Wozu steckt Titandioxid in Farben?
WEISS FÜR EINE BUNTE WELT
Die Farben-, Lack- und Druckfarbenindustrie ist der größte Abnehmer von Titandioxid. Fast 60 Prozent des hergestellten Pigments werden für Lacke und Farben verwendet. Aus guten Gründen: Das hohe Licht-Streuvermögen von Titandioxid erzielt die höchste Deckkraft von allen Weißpigmenten, außerdem ist es sehr witterungsbeständig. Titandioxid ist sowohl bei der Herstellung von weißer Wandfarbe, als auch von deckenden Farbtönen unverzichtbar.
Weltweit werden pro Jahr 7,2 Millionen Tonnen Titandioxid produziert, ein gutes Drittel davon in Westeuropa.
Wegen seinen hervorragenden Eigenschaften wird Titandioxid als Rohstoff in fast allen Industriebereichen genutzt. Titandioxid steckt in Farben und in Lacken für den professionellen, gewerblichen Einsatz wie in hochwertigen Wandfarben für Heimwerker
Neben Farben und Lacken kommt er in Kunststoffen, Textilien, Lebens- und Futtermitteln, bei der Papierherstellung sowie in pharmazeutischen und kosmetischen Produkten zum Einsatz. Es existiert derzeit kein anderes Pigment, das Titandioxid in Bezug auf seine Deckungskraft und Umweltverträglichkeit entspricht.
Sicherheit für den Menschen
SICHERHEIT AM ARBEITSPLATZ
An industriellen Arbeitsplätzen können Menschen in nennenswertem Umfang Titandioxid-Stäuben ausgesetzt sein. Deshalb sind in den meisten EU-Mitgliedsstaaten Staubgrenzwerte gesetzlich geregelt. Deutschland ist mit den niedrigsten Staubgrenzwerten Vorreiter innerhalb der EU.
SICHER FÜR DEN MENSCHEN
Titandioxid wird in Farben, und Lacken; Kunststoffen und anderen Anwendungen als Pigment verwendet und ist dort fest in die Bindemittel-Matrix eingebunden
TITANDIOXID IST SICHER, WEIL…
Häufig gestellte Fragen
ANTWORTEN
Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage für eine Einstufung von Titandioxid als potentiell krebserregend. Internationale Wissenschaftler haben Titandioxid mehrfach und über viele Jahrzehnte hinweg immer wieder untersucht und keinerlei belastbare Hinweise dafür entdeckt, dass der Stoff Titandioxid für den Menschen schädlich ist.
Mit Titandioxid in Partikelform, also als Staub, kommt der Verbraucher im Alltag nicht in Berührung. In Farben und Lacken beispielsweise ist Titandioxid als Pigment in der Matrix fest eingebunden und kann daher gar nicht eingeatmet werden.
Untersuchungen über mehrere Jahrzehnte hinweg an circa 24.000 Arbeitern in 18 Titandioxid-Fabriken haben keine negativen Auswirkungen von Titandioxid auf die Gesundheit festgestellt. Dementsprechend liegen nach Aussagen der Berufsgenossenschaften keine anerkannten Fälle einer Berufskrankheit aufgrund von Titandioxid vor.
Titandioxid ist das mit Abstand wichtigste Pigment der Lack-, Farben- und Druckfarbenindustrie und in 95 Prozent aller Farben enthalten. Titandioxid besitzt das höchste Deckvermögen aller Weißpigmente und ein sehr gutes Aufhellvermögen. Deshalb ist es bei der Herstellung sowohl von weißer Wandfarbe als auch von Buntfarbtönen unverzichtbar.
Titandioxid ist sozusagen ein Allrounder und kommt auch in der Herstellung von Pigmenten, in Kunststoffen, Textilien, Lebens- und Futtermitteln, bei der Papierherstellung sowie in pharmazeutischen und kosmetischen Produkten zum Einsatz.
Gleichwertige Alternativen gibt es nicht: Pigmente wie Calciumcarbonat, Zinkoxid, Zinksulfid und Bariumsulfat haben technisch und koloristisch nicht annähernd so gute Eigenschaften wie Titandioxid, insbesondere hinsichtlich Deckvermögen und Witterungsbeständigkeit. Hinzu kommt, dass viele diese Alternativen weniger gut untersucht, teilweise als Gefahrstoff eingestuft und deshalb durch Titandioxid ersetzt wurden, so zum Beispiel Zinkoxid. Außerdem sind die Alternativ-Pigmente weltweit überhaupt nicht in der erforderlichen Menge verfügbar.
Beim Abschleifen von beschichteten Oberflächen können allerdings immer Stäube entstehen, weshalb bei solchen Arbeiten ohnehin stets eine Maske getragen werden sollte. Umfangreiche Untersuchungen der TU Dresden haben bestätigt, dass die in Farben und Lacken enthaltenen Titandioxid-Partikel fest in die Matrix der Abriebpartikel eingebunden sind und daher als solche nicht in die Luft freigesetzt werden.
Unmittelbare Folge einer Einstufung wäre, dass Farben und Lacke nicht mehr in der gleichen Qualität, z. B. hinsichtlich Deckvermögen, erhältlich wären. Bei Wandfarben zum Beispiel reicht das Auftragen von ein bis zwei Farbschichten aus. Anders ohne Titandioxid: Für eine ausreichende Deckung wären mindestens drei bis vier Schichten notwendig. Das bedeutet doppelt so viel Zeit für das Streichen und doppelt so viel Farbverbrauch.
Titandioxid ist weder giftig noch brennbar und in Wasser nicht löslich. Daher können eingetrocknete Farben ohne Lösemittel bislang über den Hausmüll entsorgt werden. Bei einer Einstufung müssten Farbreste hingegen als „gefährliche Abfälle“ behandelt werden, was die Entsorgungskosten vervielfachen würde. In Deutschland werden pro Jahr 200 Millionen Farbgebinde recycelt. Viele dieser Gebinde müssten im Falle einer Einstufung als Sondermüll behandelt werden.
Umweltzeichen wie der „Blaue Engel“ würden bei einer Einstufung als potentiell krebserregend nicht mehr vergeben. Derzeit tragen 528 emissionsarme Innenraumfarben, 956 schadstoffarme Lacke sowie sechs Innenputze das Umweltzeichen „Blauer Engel“. Für die Verbraucher fiele damit ein wichtiges Unterscheidungs- und Qualitätsmerkmal weg.
Presseartikel:
- F.A.Z.: „Streit über Krebsgefahr durch Farben eskaliert“
- F.A.Z. Kommentar: „Umstrittenes Weiß“
- „Plastverarbeiter“: Expertengespräch in der Kunststoffindustrie
- Interview mit dem Wissenschaftler Helge Kramberger zu den Auswirkungen einer möglichen Einstufung
- sueddeutsche.de: „Krebsgefahr aus weißer Farbe?“
- welt.de: „Wie gefährlich ist der Stoff, der Zahnpasta hell macht?“
- nzz.ch: „Fachleute kritisieren ECHA-Entscheid: Krebsgefahr Titandioxid?“
Downloads:
- Grafik: Schutz vor Staub bei der Herstellung und Verarbeitung von Titandioxid (510 KB)
- Grafik: Ab wann wird das Einatmen von Staub zum Problem – Grenzwerte (487 KB)
- Protection against dust during the production and processing of titanium dioxide (Englisch, 477 KB)
- Dust concentrations in everyday life (Englisch, 7 MB)
- Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V. (VdL) Position on TiO2 (Englisch, 341 KB)
- Kommentar zur Position der Bundesregierung: „Der Lackmustest“ (324KB)
- Titandioxid aus photokatalytischen Baustoffen (652 KB)
- Übersicht der Staubgrenzwerte am Arbeitsplatz innerhalb der EU (128 KB)
- „Kollaps der Bauabfallentsorgung“: Stellungnahme des Verbands BVSE (109 KB)
- „Deutschlandfunk“ v. 22.02.2018: Audio-Podcast zu „Titandioxid unter Krebsverdacht“ (5 MB)
- Flyer „Titandioxid-Spezial“ – Überblick mit Grafiken (1 MB)
- FAQ zu Titandioxid (181 KB)
- Stellungnahme des Bundesverbands der Entsorgungswirtschaft (BDE), Februar 2018
- Intern. Studie zu den sozio-ökonomischen Auswirkungen einer Einstufung („RPA-Report“, Englisch, 3,5 MB)
- Stellungnahme des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, „Maler direkt“ Dez. 2017 (8MB)
- Memorandum Titandioxid (37 KB)
- Rechtsgutachten zur Einstufung von Titandioxid auf Grundlage der CLP-Verordnung (Englisch, 263 KB)
- RAC-Empfehlung zur Einstufung von Titandioxid (716 KB)